Der einflussreichste Stimmrechtsberater rät Aktionären, auf der Hauptversammlung gegen ein neues Vergütungssystem zu stimmen. Auch einen anderen Punkt sieht er kritisch.
Die Allianz
muss sich bei ihrer Hauptversammlung am 8. Mai auf Widerstand einstellen. Der einflussreiche Stimmrechtsberater ISS rät den Anteilseignern, das angepasste System zur Vergütung von Vorstandsmitgliedern auf dem Aktionärstreffen abzulehnen. Hauptgrund dafür sind die Pensionszahlungen, die aus Sicht von ISS auch im überarbeiteten System zu hoch ausfallen.
„Die Pensionsbeiträge würden weiterhin 50 Prozent des Grundgehalts ausmachen, was im Vergleich mit dem Vorgehen anderer europäischer Unternehmen sehr viel ist“, schreibt ISS in seiner Empfehlung, die dem Handelsblatt vorliegt. Die Pensionsbeiträge für CEO Oliver Bäte seien sogar fünfmal so hoch wie bei Chefs vergleichbarer Unternehmen.
Laut ISS haben viele große deutsche Unternehmen die Pensionszahlungen an ihre Vorstände in den letzten Jahren deutlich reduziert und privilegierte Pensionspläne für Führungskräfte abgeschafft. Ein Beitrag von zehn bis 30 Prozent des Grundgehalts sei mittlerweile üblicher.
Bäte hatte im vergangenen Jahr ein Grundgehalt von rund zwei Millionen Euro und Pensionsleistungen von einer Million Euro erhalten. Im Rahmen des überarbeiteten Vergütungssystems sollen beide Beträge leicht steigen. Inklusive der variablen Vergütung hatte Bäte 2024 erstmals über zehn Millionen Euro verdient.
Gerade angelsächsische Investoren folgen bei Hauptversammlungen häufig dem Rat von Stimmrechtsberatern wie ISS und Glass Lewis. Sollten die Aktionäre der Allianz das Vergütungssystem nicht billigen, müsste sich der Aufsichtsrat erneut damit befassen.
Die Allianz verteidigte ihr Vergütungssystem in einem Brief an die Aktionäre. Die Pensionsbeiträge seien transparent und marktüblich und stünden im Einklang mit den langfristigen Interessen der Aktionäre, erklärte das Unternehmen. Es betonte zudem die eigene Rolle als führender Anbieter von Betriebsrenten. „Für die Allianz ist es daher eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass die Vorstandsvergütung in hohem Maße an das eigene Produktangebot gekoppelt ist.“
Sind die Vorstandsziele ambitioniert genug?
Neben den Pensionsbeiträgen kritisiert ISS in seinem Bericht auch ein langfristiges Bonusprogramm (Long-Term Incentive Plan, kurz LTIP) der Allianz, mit dem Führungskräfte für das Erreichen mehrjähriger Unternehmensziele belohnt werden sollen. Die Ziele erstrecken sich meist über mehrere Jahre und sind an bestimmte Leistungskennzahlen sowie den Aktienkurs des Unternehmens gekoppelt.
ISS bemängelt, dass die Leistungsziele des Bonusprogramms nicht anspruchsvoll genug seien. Auszahlungen im Rahmen des Programms seien auch möglich, wenn die Rendite (Total Shareholder Return, kurz SRT) für die Allianz-Aktionäre bis zu 50 Prozentpunkte unter dem von anderen europäischen Versicherern liege.
Die Allianz entgegnete, sie halte die Leistungsziele des Programms für anspruchsvoll und angemessen. Außerdem hingen Auszahlung im Rahmen des LTIP nicht allein von der relativen Aktienkursentwicklung ab, sondern auch von einer „langfristigen Leistungsbemessung“ durch den Aufsichtsrat, die entweder die Auszahlung bestätigen oder zu einer Korrektur nach unten bis auf null führen könne.
ISS sieht die Regelungen dagegen kritisch und findet es deshalb „nicht gerechtfertigt“, dem überarbeiteten Vergütungssystem zuzustimmen. Gleichwohl erklärte der Stimmrechtsberater, dass das übergeordnete Vergütungssystem der Allianz weitgehend marktüblich sei. Es weise ein hohes Maß an Transparenz hinsichtlich der Vergütungshöhen und Leistungsziele auf.
Der größte deutsche Versicherer hat seine Ergebnisse unter Vorstandschef Bäte in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. 2024 summierte sich der Nettogewinn auf 9,9 Milliarden Euro. Das sind 45 Prozent mehr als in Bätes erstem vollem Jahr an der Allianz-Spitze 2016.