Der Kampf zwischen Opposition und Regierung in der Türkei ist nach Deutschland übergeschwappt. Neben Protesten soll ein Boykott das Erdogan-Regime schwächen.
Ankara/Berlin – Seit der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoğlu kommt die Türkei nicht mehr zur Ruhe. Immer wieder gibt es Demonstrationen mit hunderttausenden Teilnehmern, die eine Freilassung von İmamoğlu fordern. Opposition und andere Kritiker des Regimes wollen dadurch vor allem vorgezogene Wahlen durchsetzen und dem AKP-Regime des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach 23 Jahren ununterbrochenem Alleinregieren ein Ende setzen.
Erdogan-Regierung läuft Sturm gegen Boykottaufrufe der Opposition
Mit jedem Tag verhärten sich die Fronten zwischen Opposition und der Regierung von Erdogan. Die Opposition hat zuletzt eine Liste von Unternehmen und Marken veröffentlicht, die regierungsnahen Oligarchen gehören sollen und die es zu boykottieren gilt.
Minister, hochrangige AKP-Funktionäre und -Sympathisanten, wie auch der ehemalige deutsche Nationalspieler Mesut Özil, laufen dagegen Sturm. Damit würde die heimische Wirtschaft und gesellschaftliche Strukturen zerstört werden. Die Erdogan-Regierung hat inzwischen drei Internetseiten mit den Namen der Unternehmen gesperrt. Der Boykott scheint die AKP-Regierung richtig zu belasten.
Konflikt in der Türkei wird auch in Deutschland ausgetragen
Der Kampf zwischen Opposition und der Erdogan-Regierung wird in der Politik der Türkei ausgetragen. Er schwappt aber immer mehr auch nach Deutschland über. In den vergangenen Wochen gab es in mehreren deutschen Städten Demonstrationen von Auslandstürken gegen das türkische Regime. Dem Boykottaufruf in der Türkei folgt jetzt ein Boykottaufruf in Deutschland, der sich an die Mitglieder des Unternehmerverbandes MÜSIAD (Verein Unabhängiger Unternehmer und Industrieller) richtet. Für den Ideengeber des Boykottaufrufs, Professor Burak Çopur, Politikwissenschafter und Türkei-Experte aus Essen, gibt es gute Gründe für die Initiative.
AKP wird politisch stabilisiert und ökonomisch gestärkt
„MÜSIAD ist nicht irgendein Wirtschaftsverband, sondern eine Vorfeldorganisation und ein Lobbyverein, der zum Erdogan-Netzwerk in Deutschland gehört, genauso wie die UID, Ditib und IGMG. Dieses Netzwerk trägt maßgeblich dazu bei, dass das Erdogan-Regime politisch stabilisiert und ökonomisch gestärkt wird“, sagte Çopur im Gespräch mit fr.de von IPPEN.MEDIA. „Unternehmer, die sich bei der MÜSIAD organisieren, haben sich ganz bewusst für diesen Erdogan-nahen Wirtschaftsverband entschieden, um dieses Regime auch aus dem Ausland heraus zu unterstützen“.